Es regnete, als der Europaabgeordnete Engin Eroglu (FW) in Gadheim eintraf, um mit einigen Gästen zum Mittelpunkt der Europäischen Union zu pilgern. Eingeladen hatte Landtagsabgeordneter Felix von Zobel (FW), denn „diesen Ort sollte ein Europaabgeordneter einmal gesehen haben – zumal, wenn er sich gerade auf Deutschlandtour befindet“. Eroglu ist nicht nur Vorsitzender der Freien Wähler Hessen und stellvertretender Bundesvorsitzender der Freien Wähler; er wurde im Mai 2019 ins Europaparlament gewählt. Hier ist er Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten. Auch ist er Mitglied in der Delegation für die Beziehungen EU-Türkei und der Delegation in den Parlamentarischen Kooperationsausschüssen EU-Kasachstan, EU-Kirgisistan, EU-Usbekistan und EU-Tadschikistan sowie für die Beziehungen zu Turkmenistan und der Mongolei (DCAS). Er ist stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und der Delegation für die Beziehungen zu Afghanistan. Im Bereich Handel und Außenpolitik wurde Engin Eroglu im Influence Index 2021 zu den fünf einflussreichsten Mitgliedern des Europäischen Parlaments gezählt.
Felix von Zobel erläuterte den anwesenden Gästen, unter Ihnen auch einige Kreisräte, den geschichtlichen Hintergrund: Nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hatte sich deren Mittelpunkt nach Gadheim, einem Ortsteil Veitshöchheims, verschoben. Die Besucher besichtigten den Findling, der den Mittelpunkt symbolisieren soll; ein Foto mit den drei Fahnen der EU, Deutschlands und Veitshöchheims im Hintergrund war natürlich Pflicht. Dass von hier aus bei der Fußball-EM 2020 das deutsche Fernsehen in seinem Morgenmagazin zwei Wochen lang live berichtet hatte, erstaunte auch den Europaabgeordneten: „Ich wusste bisher nicht, dass dieser Ort, inmitten eines Ackers, so berühmt ist.“
Kreisrat Thomas Rützel (FW), der auch Vertreter des Landkreises Würzburg im europäischen Ausschuss der Regionen und Städte ist, berichtete noch kurz von seiner Tätigkeit in diesem Kontext, ehe man den Mittelpunkt einer Reisegruppe mit Regenschirmen überlies.
Gelebtes Europa
„Gelebtes Europa“ – unter diesem Motto stand der anschließende Besuch von Engin Eroglu (MdEP) in der Montessori-Fachoberschule im Klostergelände Oberzell. Schulleiterin Ursula Wagner hatte eine Präsentation vorbereitet, in welcher sie kurz das Schulkonzept vorstellte; die Entwicklung der Jugendlichen zu selbständigen und verantwortungsbewussten Menschen steht dabei im Mittelpunkt. Sie berichtete über die enge Verbundenheit der Schule mit dem europäischen Gedanken. Seit 2008 machen regelmäßig Schüler der 11. Klasse ein 5-6-wöchiges Fachpraktikum im Ausland. „Die Schülerinnen und Schüler kommen positiv verändert zurück. Sie lernen nicht nur sich selber zu versorgen und miteinander auf engem Raum klarzukommen, sondern lernen auch die jeweilige Kultur- und Arbeitswelt kennen. Dies macht sie offener und verständnisvoller“, so Schulleiterin Wagner. Inzwischen fanden Praktika in gut einem Dutzend verschiedener Länder statt. Waren diese anfangs privat und mittels Spenden- und Fundraisingaktionen finanziert worden, so werden diese Praktika seit 2019 durch das Erasmus+ Programm der EU gefördert; sonst wäre dies kaum noch stemmbar. Eroglu berichtet hierzu: „Das Programm sollte nach Corona eingestampft werden. Jedoch haben wir uns als drittgrößte Fraktion massiv dafür eingesetzt, dass dieses fortgeführt wird – was uns auch gelungen ist.“ Wagner ist sehr dankbar, dass dies geschehen ist, ist dies doch eine wesentliche Säule des Schulkonzepts, welches europäisch und international ausgerichtet ist.
Auch der Schüleraustausch mit verschiedenen Ländern, wie zurzeit mit Tschechien, wird seit einigen Jahren praktiziert; er wird gefördert mit dem Tandem-Programm der EU. Seit langem sind auch sogenannte „europäische Freiwillige“ jeweils für ein Jahr an der Montessori-Fachoberschule tätig. Sie unterstützen die Schülerinnen und Schüler im Unterricht, beim Sprache lernen oder bei den Praktika. Auch die Hinführung zum ehrenamtlichen Engagement wird an der Schule großgeschrieben – wobei dieses oftmals von den Jugendlichen selbst ausgeht, wie z. B. das Betreiben eines Lesecafés in der Gemeinschaftsunterkunft – was vielfach ausgezeichnet worden ist.
Felix von Zobel ist beeindruckt: „Diese jungen Menschen werden hier gut vorbereitet auf die immer härter werdenden Anforderungen an Beruf und Lebensumwelt, welche sich nun einmal international abspielt. Miteinander und Verständnis füreinander ist hierbei ein Schlüssel. Das ist praktisch gelebtes Europa.“